top of page

Darmkrebsmonat März: Was wir tun können – und was die Politik tun muss



Hast du dich gestern gefragt, wie es um deine Darmgesundheit steht? Auf der viszeralchirurgischen Station, auf der ich früher tätig war, gehörte die Frage nach dem Stuhlgang fast täglich zur Routine. Langzeitpatienten berichteten nüchtern: „Letzte Nacht war in Ordnung, Schmerzskala 4, keine Übelkeit und kein Stuhlgang.“ Die nächste, immer drängendere Frage war oft: „Wann darf ich nach Hause?“ Meine Antwort war simpel, aber nachdrücklich: „In der Regel: Wenn du Stuhlgang hast, kannst du nach Hause.“ Besonders bei Patient:innen nach Bauch- oder Darmoperationen zeigt sich, wie wichtig diese Körperfunktionen für unser Wohlbefinden sind.

Im Alltag gehen wir meist davon aus, dass alles reibungslos funktioniert – bis plötzlich der Gang zur Toilette zur Herausforderung wird. Dann denken wir darüber nach, was wir gegessen haben, wie viel Flüssigkeit wir zu uns genommen haben oder – im Falle von Durchfall – dass unser Verdauungssystem Aufmerksamkeit benötigt. Normalerweise arbeitet es unauffällig im Hintergrund, bis es versagt und uns vor Augen führt, wie essenziell diese Körperfunktionen sind.

Mit 44 Jahren habe ich noch etwas Zeit, bevor mein Hausarzt eine Vorsorgeuntersuchung empfiehlt. Doch das Risiko von Darmkrebs ist mir nicht fremd. In meiner Familie hat diese Krankheit bereits zugeschlagen – meine Grossmutter verlor ihr Leben daran. Die Erzählungen meiner Mutter über die schweren Zeiten haben mich gelehrt, die eigene Gesundheit ernst zu nehmen. Als Fachexperte auf einer Onkologieabteilung bekomme ich mit, wie viele meiner Patient:innen die Vorsorgeuntersuchungen verschoben haben, weil sie glaubten, es treffe sie nicht – bis es zu spät war. Diese Einstellung will ich für mich und meine Familie vermeiden. Es geht nicht nur um die eigene Gesundheit, sondern auch um die Verantwortung gegenüber den Menschen, die uns lieben und auf uns angewiesen sind.


Was wir tun können


Was ich als besonders wichtig erachte, ist regelmässige Bewegung. Tägliche körperliche Aktivität senkt das Risiko, an verschiedenen Krebsarten zu erkranken. Ich bin Nichtraucher und spreche auch im Freundeskreis über die Bedeutung des Verzichts auf Zigaretten und massvollen Alkoholkonsum – beides erhöht das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Ab dem 50. Lebensjahr ist es zudem wichtig, regelmässig Früherkennungsuntersuchungen in Anspruch zu nehmen, besonders bei familiärer Vorbelastung. Frühe Vorsorge kann Leben retten.

Regelmässiger Verzehr von Obst, Gemüse und Vollkornprodukten fördert eine gesunde Verdauung. Doch oft fehlt uns die Zeit für den Einkauf, die Zubereitung und das Geniessen des Essens. Und ja, wir sollten den Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch reduzieren, da ein hoher Fleischkonsum das Risiko von Darmkrebs erhöht. Doch bei vielen Restaurantbesuchen besteht das Menü zu 70 % aus Fleisch oder ungeniessbaren Fleischersatzprodukten (Story for another day).


Was die Politik tun muss


Obwohl die Schweiz über eines der besten Gesundheitssysteme weltweit verfügt, gibt es immer noch erhebliche Lücken in der Krebsvorsorge. Darmkrebs gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen im Land, aber die Teilnahme an Vorsorgeprogrammen ist bislang zu gering.

Vor zwei Jahren forderte ich im Kanton Aargau ein kantonales Darmkrebsvorsorgeprogramm. Mittlerweile haben 16 Kantone entsprechende Programme umgesetzt.


Doch warum hinken noch 10 Kantone hinterher?


Der Regierungsrat Aargau hat auf meine Interpellation geantwortet und bestätigt, dass es kein flächendeckendes Programm gibt. Es fehlt an einer nationalen Strategie, seit die Nationale Krebsstrategie 2020 ausgelaufen ist. Zudem gibt es keine klare Koordination zwischen Hausärzt:innen und Spezialist:innen, und es fehlt ein kantonales Informationskonzept zur Darmkrebsvorsorge.


Politische Massnahmen, die dringend erforderlich sind:


  1. Einheitliche Vorsorgeprogramme in allen Kantonen: Anstatt regionaler Unterschiede sollte ein nationales Programm etabliert werden, das kostenlose oder vergünstigte Darmkrebsvorsorgeuntersuchungen ermöglicht.

  2. Umfassende Aufklärung: Viele Menschen wissen nicht, dass Darmkrebs im Frühstadium gut behandelbar ist. Eine breit angelegte Informationskampagne könnte hier Abhilfe schaffen.

  3. Automatische Screening-Erinnerungssysteme: Ähnlich wie bei der Mammographie könnten automatische Erinnerungen die Teilnahmequote deutlich erhöhen.

  4. Förderung gesunder Lebensstile: Investitionen in Ernährungs- und Bewegungsprogramme können langfristig das Darmkrebsrisiko senken.


Ein Appell an uns alle


Darmkrebs gehört zu den wenigen Krebsarten, die durch rechtzeitige Vorsorge fast vollständig vermeidbar sind. Dennoch nehmen viele Menschen diese Angebote aus Angst oder Unwissenheit nicht wahr. Vorsorge ist nicht peinlich, sondern kann Leben retten.


Frage dich also: Wann hattest du zuletzt Stuhlgang?


Und noch wichtiger: Wann hast du zuletzt aktiv etwas für deine Darmgesundheit getan?


Es könnte der entscheidende Schritt sein, der dein Leben verändert.

 

 
 
 

Comments

Rated 0 out of 5 stars.
No ratings yet

Add a rating
BLEIBE AUF DEM LAUFENDEN
TWINT_Individueller-Betrag_DE.png
  • Whatsapp
  • Linkedin
  • Instagram
  • Facebook
  • X
  • TikTok
bottom of page